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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.11.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 195/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56f
StGB § 63
StGB § 64
Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 StGB, nämlich die Verlängerung der Bewährungszeit, können dann ausreichend sein, wenn die in der Bewährungszeit begangene neue Tat zur Unterbringung gemäß §§ 63, 64 StGB geführt hat und der Verurteilte sich im Maßregelvollzug befindet. Die Behandlung aufgrund der gerichtlichen Unterbringung wird nämlich so lange fortgesetzt, bis eine hinreichend sichere Legalprognose dahin getroffen werden kann, dass der Verurteilte keine weiteren erheblichen Straftaten begehen wird. Die Vollstreckung einer durch Widerruf der Bewährung im Anschluss an die Unterbringung vollstreckbaren Freiheitsstrafe wäre kontraproduktiv, da Voraussetzung der Entlassung aus dem Maßregelvollzug eine positive Aussetzungsprognose ist.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam bei dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel vom 15. Juli 2009 aufgehoben.

Die zur Bewährung ausgesetzte Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. November 2004, Az.: ...., wird erlassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. November 2004, Az.: ...., wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 3. November 2004 rechtskräftig. Die Bewährungszeit endete daher am 2. November 2007.

Innerhalb der laufenden Bewährung, am 12. Januar 2007, beging der Angeklagte erneut eine Sexualstraftat. Er wurde deshalb mit Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: ...vom 25. November 2008 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Außerdem wurde gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, da der Angeklagte an einer hirnorganischen Persönlichkeitsstörung leidet und seine Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit erheblich vermindert war und die Gefahr erneuter erheblicher Straftaten besteht. Das Urteil ist seit dem 3. Dezember 2008 rechtskräftig. Am 5. Januar 2009 ist der Verurteilte, der sich seit dem 27. Juni 2007 in Untersuchungshaft befand, in ...... verlegt worden, wo er sich bis heute befindet.

Nach vorheriger schriftlicher Anhörung des Verurteilten im April 2009 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam auf Antrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) durch Beschluss vom 15. Juli 2009, also mehr als 1 Jahr und 8 Monate nach Ablauf der Bewährungszeit, die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, da der Verurteilte erneut einschlägig straffällig geworden sei und offenbar uneinsichtig und unzugänglich sei. Mildere Maßnahmen im Sinne des § 56 f Abs. 2 StGB reichten zur Wiederherstellung einer positiven Kriminalprognose nicht aus.

Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 11. August 2009 zugestellt. Hiergegen wendet sich der anwaltlich vertretene Beschuldigte mit seiner am 18. August 2009 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, der Beschluss trage der gegenwärtigen Situation des Verurteilten nur ungenügend Rechnung. Der Beschwerdeführer befinde sich im Maßregelvollzug und in therapeutischer Behandlung. Er habe erst bei gravierenden therapeutischen Fortschritten, die wiederum eine günstige Kriminalprognose begründen müssten, eine Entlassungsperspektive. Ein Bewährungswiderruf sei deshalb kontraproduktiv, ein Vorwegvollzug der Strafe sei von dem Landgericht Frankfurt (Oder) ausdrücklich mit Erwägungen zum Zweck der Maßregel, die auch im Widerrufsverfahren zu berücksichtigen seien, abgelehnt worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, der sofortigen Beschwerde mit dem Ziel des Straferlasses stattzugeben.

II.

Die gemäß § 453Abs. 2 S. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 f Abs. 1 StGB liegen grundsätzlich vor. Der Verurteilte ist innerhalb der laufenden Bewährung erneut - einschlägig - straffällig geworden.

Vorliegend wären jedoch Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 StGB, nämlich die Verlängerung der Bewährungszeit, ausreichend, um die durch die erneute Straftat widerlegte Aussetzungsprognose wieder herzustellen. Dabei sind hier die wesentlichen Änderungen in den Lebensumständen des Verurteilten zu berücksichtigen (vgl. OLG Frankfurt vom 6. Februar 2009, 3 Ws 106/09 zitiert nach juris). Zum einen hat er in dem neuen Strafverfahren etwa 18 Monate Untersuchungshaft verbüßt. Er befand sich erstmals überhaupt in Haft, was mutmaßlich auf den Verurteilten Wirkung gezeigt hat. Außerdem ist der Verurteilte darüber hinaus seit zehn Monaten im Maßregelvollzug untergebracht. Die Behandlung dort aufgrund der gerichtlichen Unterbringung wird so lange fortgesetzt, bis eine hinreichend sichere Prognose getroffen werden kann, dass der Verurteilte keine weiteren erheblichen Straftaten begehen wird. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe von zwei Jahren im Anschluss an die Entlassung aus dem Maßregelvollzug wäre kontraproduktiv, da Voraussetzung der Entlassung aus dem Maßregelvollzug eine positive Aussetzungsprognose ist.

Hier käme wegen der Schwere der innerhalb der Bewährungszeit begangenen Tat grundsätzlich eine Verlängerung der Bewährungszeit um maximal 2 Jahre in Betracht ( vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl., § 56 f Rdnr. 17; OLG Stuttgart, NStZ 2000, 478). Diese Frist liefe jedoch am 3. Dezember 2009 ab. Da sich der Verurteilte bis zu dieser Zeit wegen der Vollstreckung seiner Unterbringung jedoch nicht in Freiheit befindet, kann er sich in der verbleibenden Bewährungszeit nicht "bewähren". Da unter diesen Umständen eine Verlängerung der Bewährungszeit zur jetzigen Zeit eine rein formale Entscheidung ohne jede tatsächliche Auswirkung darstellte, war davon abzusehen. Die Strafe war zu erlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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